Donnerstag, 26. September 2013

Die Reise zu mir selbst [rejse til mig selv]

Elvis und ich haben vor (zeitlich gemeint) den Kindern gefastet. Das hat immer sehr gut getan. Zum einen war es körperlich erholsam und auch immer erfahrungsreich. Und es hat im Kopf etwas verändert. Nach drei Wochen ohne Essen, nur mit Wasser und Kräutertee, habe ich mich immer absolut frei gefühlt. Alle essenden Menschen kamen mir wie Abhängige vor. Ständig mussten sie in die Buden der Händler rein um sich ihr Zeug zu besorgen. Hatten sie mal ein paar Stunden lang nichts zum Essen wurden sie nervös. Ich kenne das Gefühl aus der Esszeit auch, dass mir wenn ich zu wenig gegessen habe schummrig wird. Das Gefühl ohne Nahrung ganz schnell einzugehen. Das Fasten macht mir dann immer wieder klar, dass ich soviel mehr kann bzw. ohne all das Essen trotzdem zu ganz viel in der Lage bin. Und nach fünf Wochen fasten dann die ersten Lebensmittel zu konsumieren ist so großartig. So erfüllend. Wie wertvoll dann eine Kartoffel mit Kräuterquark ist. Das ist spannend. Mit Kindern fasten ist allerdings eine echte Leistung. Ich habe das einmal getan, als Pelle drei Jahre alt war. An vielen tagen war es kein Problem aber auch trotz Fastentief oder Fastenkriese und dem Bedürfnis sich einfach nur warm und wohlig mit Wärmflasche irgendwo zu verkriechen, stand ich dann am Herd und habe für ihn gekocht. Oder ihm Brote geschmiert. Oder Obst geschnibbelt.
Also richtiges Fasten kommt im Moment für mich nicht in Frage, auch nicht wegen dem Stillen. Da Elvis und ich aber unsere Schwangerschaftskilos los werden wollten und auch mal wieder so eine Ernährungserfahrung machen wollten haben wir etwas ausprobiert, was eigentlich gegen alle Fastenweisheiten spricht. Intermittierendes Fasten. Das heißt einen Tag ganz normal essen und am nächsten Tag nichts. Und es ist super. Es macht etwas mit meinem Kopf. An dem Nichtesstag kommen mir alle Lebensmittel unfassbar lecker vor. Wenn ich einem der Kinder ein Brot mache duftet es so gut und ich nehme mir vor am nächsten Tag gleich als erstes ein Brot zu machen. Und am Esstag kommen mir die selben Lebensmittel absolut unattraktiv vor. Es ist eben das Nicht-Haben-Können was das Haben-Wollen auslöst oder zumindest sehr stark beeinflusst. Diesen Effekt jeden Tag aufs neue zu erleben verändert natürlich auch die Sicht auf alle restlichen Dinge dieser Welt. Es lässt mich ein Stück weit erfahren wie meine Psyche funktioniert und wie sie manipulierbar ist. Natürlich weiß ich all diese Dinge in der Theorie. Es ist ja nichts neues. Aber es wirklich immer und immer wieder zu erleben, wie das selbe Brot am einen Tag der Himmel auf Erden zu sein scheint und am nächsten Tag langweilig ist, macht viel mehr Eindruck, als wenn ich die selben Erkenntnisse in einer psychologischen Vorlesung höre.
An den Esstagen habe ich überhaupt keine Lust mehr auf stark verarbeitete Lebensmittel. Auch Schokolade ist nicht mehr so der Renner. Frische Lebensmittel dagegen könnte ich die ganze Zeit futtern.
Die Kinder freuen sich, dass es für sie jeden zweiten Tag wirklich erwünschtes Kinderessen gibt und nicht irgendwelche Mama-will-aber-nicht-immer-nur-Nudeln-oder-Pfannkuchen-essen-Gerichte.
Und jetzt nach sechs Wochen haben Elvis und ich auch körperlich den Status von vor zehn Jahren erreicht. Wie lange das jetzt noch weiter geht weiß ich nicht so genau. Eigentlich wollte ich das gerne bis Weihnachten machen. Die Freunde des intermittierenden Fastens machen das lebenslang. Und zumindest in Tierversuchen ist solch eine Ernährung lebensverlängernd. Allerdings bleibt dadurch wirklich wenig Zeit für genussvolles Essen. Am Wochenende kocht Elvis jetzt nur noch ein mal was wirklich leckeres, statt zwei mal. Das ist ein Verlust. Mal schauen wie wir das lösen.



Montag, 23. September 2013

Gute Lehrer [gode lærer]

























How to Play. Das ist das Zauberwort. Wenn man das bei Youtube eingibt, ploppen einem tausende von Lehrvideos entgegen. Einige gute, viele stümperhafte und einige wirklich tolle. Pelle lernt gerade mit solchen Videos an unserem Piano ein paar Lieder. Das wirklich wirklich wirklich Gute an diesen Videos: sie werden nie ungeduldig, auch nicht wenn Pelle das zum hundertsten Mal spielt und immer noch den selben Fehler macht. Mit einer großartigen Ruhe und Gelassenheit erklärt die Pianospielerin im Video immer und immer wieder den einen Teil, den Pelle grade übt und macht es noch ein mal vor. Das ist ein sehr großer Vorteil beim Lernen mit diesem Medium. Deshalb liebe ich elektronische Lehrer. Sie werden nicht genervt und sie kritisieren nicht. Nie. Wirklich.
Wie Tanja und Johnny Haeusler in ihrem Artikel in der aktuellen unerzogen schreiben: Kein Spiel sagt: Das war jetzt eher eine Vier minus. So ist es. Ein Video, ein Spiel oder ein Programm kritisiert und bewertet nicht. Sie weisen auf Fehler hin. Aber immer neutral. Und somit sind wir ganz in dem Fahrwasser von Vera F. Birkenbihl. Sie sagte, dass es ganz wichtig ist auf der Eingangsstufe einer Lernphase nicht zu kritisieren.

Wenn ich draussen auf dem Bett unter dem Apfelbaum sitze kann ich aus dem Haus Für Elise hören. Das ist schön. Und obwohl die elektronischen Lehrer nicht kritisieren gibt es hier aufwühlende Lernphasen. An einem Tag als Pelle schon recht weit in dem Stück gekommen war, saß er am Klavier und platzte fast vor Stolz. Er redete die ganze Zeit davon wie unfassbar weit er schon gekommen ist. Und dann funktionierte plötzlich etwas nicht. Er hat es mehrmals versucht und ist dann verzweifelt am Klavier zusammengebrochen. Hat gewütet, geweint und geschimpft. Ich hab dabei gesessen und konnte nichts hilfreiches beitragen. Irgendwann habe ich ihm vorgeschlagen erst einmal eine Pause zu machen und wir haben zusammen ein wenig Theorie zu dem Stück welches er gerade übte angeschaut. Wir haben uns die Wikipediaeinträge zu Beethoven und Mozart durchgelesen, festgestellt, dass Mozart aussah wie der Onkel von Pelles Freund. Wir haben uns Konzertmitschnitte von Beethovenstücken angeschaut und uns Für Elise komplett angehört. Danach hat er entspannt und erholt wieder weiter am Klavier geübt.


Samstag, 21. September 2013

Luzies Dilemma [luzies dilemma]

















Luzie möchte Freunde.
Letzte Woche verkündete sie am Küchentisch: "Ich suche jetzt Freunde in meinem Alter".
Ich dachte kurz Jippie. Aber dann erklärte sie weiter "Ich will Die fünf Freunde spielen und dafür brauche ich ja Freunde in meinem Alter." mpf.
Luzie hat als lebendiges Vorbild Pelle und seine Freunde. Und irgendwie sortiert sie sich selber bei den großen Jungs ein. Ihre Bezugsgruppe sind also 8 bis 12 Jährige. Die Jungs machen das mit ihr auch wirklich gut. Pelle hat viele sozial sehr kompetente Freunde. Dass Luzie da in irgendeiner Art mitspielen kann geht eigentlich immer. Nur wenn die Jungs dann ohne Erwachsene eine Fahrradtour machen wollen, ist plötzlich eine Grenze da, die für Luzie ganz blöd ist. Sie darf nur in Begleitung eines Erwachsenen den Tag lang auf dem Rad durchs Land oder zum See fahren.
Und das sieht sie nicht ein.
Letztes Jahr gab es dann durch ungeschickte Erklärungen unsererseits auch noch ein blödes Missverständnis. Wir haben ihr als Ersatz öfter einen Mädchennachmittag ohne die Jungs angeboten. Wir haben dann zusammen einen Film geschaut oder sind Eis essen gefahren. Und das Ende vom Lied war, dass sie irgendwann ganz verzweifelt schluchzend vor uns stand und sagte, dass sie auch lieber ein Junge sein will, damit sie all die Sachen die Pelle macht, machen darf. Das mussten wir dann wieder glatt bügeln und ihr erklären, dass es nicht am Junge oder Mädchen sein liegt, dass sie keine Fahrradtour ohne uns machen darf. Aber das mit dem Alter ist für sie so absolut irrelevant. Sie ist ja auch tatsächlich in manchen Bereichen kognitiv nah an den Jungs dran, obwohl die fünf Jahre älter sind.
Wenn sie mit gleich alten Kindern spielt ist sie hinterher meist genervt. Die wollen immer bestimmen sagt sie. Kleinere Kinder sind ganz okay, die behandelt Luzie ein wenig wie Puppen.
Kürzlich beim Judo saß sie dann die gesamte Stunde mit Lina am Rand und hat geplaudert und Lina beim Stricken zugeschaut. Lina ist 8. Auch der Judomeister sieht Luzie nicht bei den Kleinen. Und als wir dann gerade darüber sprachen, konnten wir beobachten wie Luzie in der Schlange langsam aber sicher von der kleinen Gruppe zwischen die Großen Judokas diffundierte.
Die anderen Erwachsenen finden das immer ganz entzückend, da ja auch Luzies Sprachcode sehr elaboriert ist. Allerdings haben die auch nicht die täglichen doofen Momente, wo sie an die Altersbeschränkungen stößt und unglücklich wird.
Kennt sich jemand von Euch damit aus? Gibt es ähnliche Fälle? Wir sind da ratlos.

Donnerstag, 19. September 2013

Ida & Johan [Ida & Johan]







































Die neuen Mitbewohner kommen mit einer echt traurigen Vergangenheit. Und ich hab da wohl Mist gebaut. Ich hätte sie klaren Kopfes einfach bei dem Züchter lassen sollen. Damit er merkt, dass es nicht gut ist, so etwas zu tun und dass er keinen findet der ihm dann seine Schandtaten abnimmt. Aber ich war nicht klaren Kopfes. Ich hab die hübschen Tiere gesehen und mitgenommen. Das sind also Ida und Johan. Zwei Graugänse. Die erste menschliche Gemeinheit gab es, da waren die beiden noch im Ei. Die lagen nämlich unglücklicherweise in einem Nest auf einem Golfplatz. Die Golfer wollen keine Graugansmama mit Gösseln auf ihrem Platz, deshalb räumen sie die Nester jedes Jahr kurz vor dem Schlupf aus. Diese Eier hat dann der Züchter in die Hand bekommen und im Brutkasten zu ende ausgebrütet. Und dann hat er, damit die Gänse nicht wegfliegen, ihnen die Flügel kupiert. Sie werden also niemals fliegen können. Als wir die beiden hier auf die Wiese gesetzt haben wurde mir ganz flau. Niemals in den Süden fliegen...
Allerdings hat sich das später etwas relativiert. Die in Mitteleuropa geborenen Graugänse sind nämlich gar keine Zugvögel sondern Standvögel. Und auch meine Annahme, dass die Hausgänse sich mit ihrem Flugunfähigkeitsschicksal gut anfreunden stimmte nicht. Denn auch die dicken Hausgänse einer Freundin versuchen es jedes Jahr wieder. Sie gehen auf die Strasse und rennen und rennen und rennen – aber sie heben nicht ab. Geht nicht. Und trotzdem versuchen sie es jedes Jahr wieder.
 Und jetzt, nach ein paar Wochen, haben sich Johan und Ida auch an uns gewöhnt. Handzahm sind sie quasi am nächsten Tag schon gewesen und jetzt gehen sie auch nicht mehr weg wenn das Hoftor offen steht.






Dienstag, 17. September 2013

Wenn ich die Wahl hätte [at træffe et valg]

Wenn es in unserem Haus laut ist, wird es im Blog still. Das Leben ist gerade sehr turbulent (Kleinkind im Krabbelalter, Erntezeit & Hausausbauphase vor dem Winter) und lässt keine Zeit um hier mal etwas in Ruhe zu schreiben.

Deshalb hier nur aus aktuellem Anlass ganz kurz eine Empfehlung: AfD Wähler stellen sich vor

Ich werde die Piraten wählen. Die haben sich zwar anfänglich gegen Homeschooling ausgesprochen, allerdings haben sie auf ihrem Bildungstag den guten Andre Stern eingeladen und reden lassen und vielleicht sogar zugehört.



Also besteht noch Hoffnung.

Jetzt zu dem aktuellen Anlass: als ich kürzlich auf dem Biowochenmarkt in einer linksalternativen Hochburg Deutschlands, direkt vor dem Wahlwerbungsstand der Grünen von einem nett wirkendem Kerl angesprochen wurde, hab ich ihm ganz unvoreingenommen und naiv meine Zeit geschenkt. Er fing also an zu erklären, dass er für eine Partei wirbt die eine Alternative für die alteingesessenen Sesselfurzer sei. Das Gespräch war ganz okay bis zu dem Punkt an dem er erwähnte, dass seine Parteikollegen alle eher älter und national-konservativ seien. Mir wurde ganz schummrig und in meinen Ohren rauschte es ganz laut. Ich konnte mich überhaupt nicht mehr konzentrieren. Ich hab irgendwie versucht, das was er sagte in einen Zusammenhang mit dem Ort und der Umgebung in der wir uns befanden in Einklang zu bringen. Aber es gelang mir nicht. Deshalb hat mein Gehirn ganz sonderbare Wahrnehmungen veranlasst. Fight or Flight. Adrenalin. Ohrensausen. Das Gespräch ging dann schnell zu Ende. Allerdings habe ich nichts mehr davon mitbekommen. Noch ganz duselig und verwirrt drehte ich mich zu meinem Lieblingsziegenhofbesitzer (eigentlich sind es zwei, aber nur einer von beiden kommt zum Markt, weil der Andere die Ziegen versorgt) um und schaute ihn fragend an. Er war auch etwas verwirrt und erzählte, dass kurz bevor ich dem Kerl vor die Nase lief einige Marktbesucher den als Nazi beschimpft hätten. Puh. Solchen Gewächsen bin ich ja schon lange nicht mehr begegnet. Und damit hier nicht ein einziger Mensch auf deren missverständliche Wortwahl herein fällt und da uninformiert spontan mal sein Kreuzchen macht, lege ich Euch den Link oben ans Herz.
Da kann man gut nachlesen in welchem Geiste diese Leute stehen. Gruselig. Und so unfassbar Intelligenzbefreit.